„[…] Das Verlangen nach dem Unmöglichen trägt das Ideendrama des französischen Schriftstellers und Philosophen. In der Box des Frankfurter Schauspiels hat Dennis Krauß es nun auf den existentialistischen Punkt gebracht: Caligulas Logik ist tödlich. Zusammen mit seiner Dramaturgin Valerie Göhring hat der junge Regisseur das ausufernde Personenverzeichnis auf fünf Figuren reduziert. Das genügt, um Camus Gehör zu verschaffen. […] Helicon, ein Vertrauter des Kaisers, hält eine elektische Gitarre in Händen, mit der er gelegentlich wispert, aber auch viel Radau macht. […] Mit ihrem durchdringenden monotonen Geräuschpegel überdeckt sie bisweilen die Stimmen der Schauspieler. Zugleich zwingt die auditive Tortur den Zuschauer in die Rolle des Zuhörers. Es sieht so aus, als habe der Regisseur sich von seinem Kollegen Ulrich Rasche inspirieren lassen. Je quälender der anschwellende Lärm, desto fukussierter spitzen sich die Ohren des Publikums dem Text entgegen. […]"
Claudia Schülke, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.03.2017
"Ein finsterer Raum, Wände aus geschwärztem Wellblech, der Boden ist mit Asche bedeckt. Fünf junge Schauspieler, angetan mit grafisch applizierten weißen Tuniken, mehr oder weniger den ganzen Abend über in einer gereihten Aufstellung. Es ist eine Situation des aufkommenden Weltenbrandes gewesen, in der Albert Camus 1938 sein erstes Drama „Caligula“ verfasst hat. […] Es ist jene Sorte hermetischer Inszenierung, bei welcher der Mitschnitt als Hörspiel taugen würde. Ohne Unterlass spielt David Hirst, […] auf der elektrischen Gitarre einen Soundtrack aus atmosphärischen, bisweilen auch perkussiven Klängen, mit Schichtungen im Loopverfahren. Die Inszenierung – eine gute Stunde braucht sie nur für den komprimierten Vierakter – bleibt laborhaft kühl. […] In ihrer Art wirkt sie ausgeklügelt; die Figuren sind bei Camus nicht mehr als Ideenträger, insofern entspricht die glasklare szenische Sprache der Vorlage. […]"
Stefan Michalzik, Frankfurter Rundschau, 27.03.2017
"[…] Als eine solche Revolte inszeniert Dennis Krauß seine Version von Camus’ Gedankenspiel. Björn Meyer als Caligula sagt gleich zu Beginn, dass er den Mond (Sinnbild für das Unerreichbare) wolle und dass er nicht verrückt sei. Wie er da ruhig steht und spricht, wird klar, dass er seine Taten aus der Erkenntnis ableitet: „Die Menschen sterben und sind nicht glücklich“. Eine Träne rinnt Meyer die Wange hinunter. Später wird er sich wie ein Kind auf der Suche nach Liebe oder Geborgenheit an die weise Caesonia (Yodit Tarikwa) schmiegen oder, als sei er zu schwer geworden, seinen Kopf auf die Schulter von Scipico (Alex Friedland) legen. Es sind wenige kurze Momente, in denen Krauß seinen Figuren gestattet, in seinem bewegungskarg inszenierten Sprachdenkstück Emotionen körperlich darzustellen. […] Und Krauß scheint den Moralphilosophen Camus noch im Verzicht auf Dramatik überbieten zu wollen. So viele absurde Freiheiten, wie sie sich Caligula nimmt, so wenig Freiheiten gönnt Krauss seinen Spielern. […]"
Astrid Biesemeier, Frankfurter Neue Presse, 27.03.2017
"[…] Eine Aufführung von eherner formaler Strenge. […] Glasklar ist sie, dabei auch laborhaft kühl […]"
Sebastian Hansen, Offenbacher Presse, 27.03.2017
"[…] Ist auch der Abend überwiegend eine reine Textrezitation, machen dies die fünf Darsteller sehr gut. Und Ensemblemitglied Björn Meyer hat in der Titelrolle des intellektuellen und nihilistischen Verbrechers sehr viel Text, den er facettenreich, von leisem Flüstern bis zum wütenden Schreien vermittelt. Yodit Tarikwa (Caligulas Geliebte Caesonia), ebenfalls Mitglied des Ensembles, hat immer eine starke Präsenz, so auch hier. Ihre Blicke vermittelt selbst ohne viel Worte ganze Geschichten. Gereift wirkt auch Justus Pfankuch, der mit schroffen Anklagen den Patrizier Cherea gibt. Er ist Mitglied im SCHAUSPIELstudio, wie auch Alex Friedland (Dichter Scipico, dessen Vater von Caligula umgebracht wurde). Als Gast gibt David Hirst den freigelassenen Sklaven Helicon. Der aus Berlin kommende Hirst wirkt hier in erster Linie aber als Fingerstyler und Gitarrist, sein Spiel wird teils bruchstückhaft als Schleife ein- und von ihm überspielt. Es bildet trotz aller Schlichtheit einen abwechslungsreichen und faszinierenden Klanghintergrund.
Langer, intensiver Applaus für diesen kurzweiligen Erzählabend."
Markus Gründig, Kulturfreak.de, 27.03.2017